Warum wir nicht alles persönlich nehmen sollten

Kennen Sie das: Sie sind gerade im Gespräch mit jemandem und im Vorbeigehen grätscht eine Person in Ihre Unterhaltung rein, unterbricht Sie und fängt mit Ihrem Gesprächspartner ein neues Thema an. Oder wenn Sie gerade eine Geschichte erzählen, Sie jemand anderes unterbricht und anfängt, von seinem Leben zu erzählen? Wann haben Sie sich zuletzt so auf die Füße getreten gefühlt? Solch ein Verhalten ist natürlich nicht nur ziemlich unhöflich, sondern wir bekommen dadurch auch den Eindruck, dass wir nicht gemocht werden oder die andere Person sich überhaupt nicht für unsere Meinung interessiert.

Dabei kann es auch um eine relativ unbedeutende Situation gehen: Sie sind gerade einkaufen und möchten gerne Brot aus dem Regal nehmen, doch eine Frau versperrt Ihnen den Weg. Sie sprechen Sie an und versuchen, sich bemerkbar zu machen, doch keine Reaktion. Als sie sich nach einiger Zeit schließlich umdreht, mustert sie Sie nur wortlos und geht weg. Sie greifen das Brot und sind verärgert über so viel Unhöflichkeit.
Auch wenn keine dieser Situationen angenehm oder wünschenswert sind, begegnen wir ihnen im Alltag relativ häufig. Es können Bekannte, Freunde oder auch Fremde sein, von denen wir uns übergangen, schlecht behandelt oder nicht respektiert fühlen. Meist schütteln wir dann verständnislos den Kopf und regen uns später zuhause über die Situation auf.

 

Soziale Situationen sind mehrdeutig – was steckt dahinter?

Die oben beschriebenen Situationen sind für Sie zwar unangenehm, aber es ist gut möglich, dass sie gar nicht aus böser Absicht entstanden sind. Ganz im Gegenteil: Die meisten (der Ihnen unangenehmen) Handlungen anderer Menschen sind überhaupt nicht gegen Sie als Person gerichtet. Die wenigsten Menschen machen etwas aus schlechter Absicht – insbesondere, wenn Sie beide sich gar nicht kennen. Es fühlt sich zwar so an, als wäre die Handlung gegen Sie gerichtet und als hätte die Person negative Hintergedanken, doch dem ist selten so.

Die Wahrheit ist simpel: Die meisten Menschen sind einfach egoistisch. Auch Sie. Wenn wir anderen Menschen auf die Füße treten, merken wir es meistens nicht mal, weil wir nur auf uns selber achten. Das ist im gemeinsamen Miteinander alles andere als schön, aber es ist menschliche Natur. Fragen Sie sich selbst einmal: Wie oft denken Sie in einem Gespräch darüber nach, was Sie gerne noch erzählen würden? Und wie oft denken Sie im Alltag über andere Menschen nach – was diese gerade tun, worüber sie nachdenken, wie deren Stimmung ist? Sie werden feststellen, dass Sie sich gedanklich vor allem mit sich selbst beschäftigen. Und selbst wenn Sie versuchen, die Perspektive einer anderen Person einzunehmen, ist dies meistens wieder ich-bezogen: Was denkt diese Person gerade von mir? Hält sie mich für einen angenehmen Gesprächspartner?

Egoismus als Teil menschlicher Natur

Genau das ist bei anderen Personen auch so: Sie denken meistens nur an sich. Sie leben in ihrer eigenen Welt und haben vor allem eigene Ziele und Interessen vor Augen. Warum sollte man Ihnen auch schaden oder Sie schlecht behandeln wollen? Wenn es dazu keinen Grund gibt, beschäftigen sich die meisten Menschen lediglich mit ihren eigenen Angelegenheiten. So hat die Frau im Supermarkt vielleicht gerade daran gedacht, was sie ihren Kinder zuhause später kochen könnte. Und Ihr Arbeitskollege hatte schon seit zwei Wochen an seinem neuen Vorschlag gearbeitet und wollte die Gelegenheit unbedingt nutzen, um dem Chef sein Können zu beweisen. Auch wenn Sie dabei übergangen werden, sind nicht das Ziel dieser Handlungen. Sie sind einfach nur jemand, der gerade zufällig da war. Wenn Sie sich diese Erkenntnis bewusstmachen, wird es Ihnen von nun an viel leichter fallen, Dinge nicht persönlich zu nehmen.

Und wenn wir ehrlich sind: Sie waren mit Sicherheit auch mal die Person, die jemand anderem auf die Füße getreten ist. Und Sie haben es wahrscheinlich ebenso wenig bemerkt, da auch Sie in Gedanken nur bei sich selbst waren.

Gibt es einen Weg, mit so etwas umzugehen? Natürlich müssen wir es uns nicht gefallen lassen, wenn uns jemand schlecht behandelt. Unsere egoistische Natur erklärt scheinbar unhöfliches oder unaufmerksames Verhalten zwar, rechtfertigt es aber nicht. Man kann die Person also ruhig darauf aufmerksam machen, damit sie dies überhaupt bemerkt. Wahrscheinlich wird sie sich daraufhin auch entschuldigen – die meisten Menschen sind schließlich nicht böse, nur egoistisch. Und Sie selbst können mit mehr Achtsamkeit und Aufmerksamkeit für andere durch das Leben gehen – dann sind Sie nicht mehr der Grund, dass jemand sich zuhause oder im Auto über eine Begegnung mit Ihnen ärgern muss.

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