Richtiges Zuhören – die Königsdisziplin im Miteinander

 

Immer ein offenes Ohr zu haben – in unserem Alltag, bei unserem Tempo wohl mehr Wunsch als Wirklichkeit. Wie es dennoch gelingt, einander gut zuzuhören – und besser zu verstehen

Richtig gut sind wir wohl alle nicht darin, wenn wir ganz ehrlich sich. Mal gelingt es uns eben besser, mal schlechter, und oft entscheidet darüber sogar nur die Tagesform. Doch so lausig, wie unsere Partnerinnen und Partner so manches Mal behaupten, stellen wir uns doch nun auch wieder nicht an.  Oder doch? Deren Kritik nämlich, wir würden ihnen in letzter Zeit nicht zuhören, trifft uns in solchen Momenten meist hart. Schließlich sind wir doch für gewöhnlich die Ersten auf der Palme, sobald uns unser Gegenüber keine Aufmerksamkeit schenkt. Wir ärgern uns doch selbst oft genug in Gesprächssituationen, in denen uns irgendwer ins Wort fällt, wir endlose Monologe erdulden müssen oder jemand unsere eigenen Sätze beendet – ohne Zweifel die Speerspitze einer frustrierenden Unterhaltung. Doch wer im Glashaus sitzt …

 

Es gibt viele Gründe, weswegen die Ohren verschlossen bleiben

Nehmen die Zurechtweisungen zu, fangen wir schließlich – und endlich –  an, gewissenhafter an unserer Aufmerksamkeit zu feilen. Das Erstaunliche ist, wenn wir uns dann im Auftrag eines qualitativ besseren Miteinanders mal ganz bewusst umhören – in der Familie, im Freundeskreis, auf der Straße, in der Bahn – einfach überall dort, wo Menschen aufeinandertreffen und miteinander reden oder es zumindest versuchen: Was das respektvolle Zuhören betrifft, scheint nicht nur in der eigenen Beziehung noch viel Luft nach oben zu sein. Doch warum ist das eigentlich so?

 

Gutes Zuhören – eine Frage des Könnens und des Willens

Hüten sollten wir uns allerdings vor vorschnellen Urteilen.  Denn nicht immer liegt es an einem Mangel an Kompetenz der anderen Person, auch nicht zwingend an Ignoranz. Dass auch organische Probleme mangelhaftes Zuhören begünstigen, bestätigen uns zum Beispiel Fachmediziner:innen. Und tatsächlich wollen viele Menschen nicht wahrhaben, wenn sie zunehmend schlecht hören. Doch leider kann ein Hörverlust sehr wohl dazu führen, dass Betroffene zum Beispiel falsch oder gar nicht mehr antworten, weil sie Gesagtes nicht korrekt verstehen. Das Problem ist: Immer häufiger kommt es deswegen zu Missverständnissen, Streitigkeiten, Rückzügen, die Frustration nimmt zu.

Es kann aber auch eine sogenannte Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) der Grund für schwierige Gesprächsverläufe sein. Hier nehmen Expert:innen an, dass die Betroffenen zwar korrekt hören können, aber Schwierigkeiten haben, das Gesagte, die Informationen zu verarbeiten. Natürlich können auch Sprachbarrieren das gegenseitige Verständnis erschweren, etwa wenn jemand Begriffe verwendet, die nun mal nicht zum Wortschatz ihres Gegenübers gehören. Weitere, oft unterschätzte Faktoren, die sich während des Gesprächs wie eine dicke Glaswand zwischen zwei Menschen schieben können: Stress, Erschöpfung, Schlafmangel und Überforderung.

Richtiges Zuhören – die Königsdisziplin im Miteinander
Richtiges Zuhören – die Königsdisziplin im Miteinander

Ein lebendiger Dialog ist die Sternstunde der Begegnung

Doch abgesehen von organischen und lebensstilbedingten Ursachen stellt sich trotzdem die Frage: Können oder wollen wir oft einfach nicht (auf)richtig zuhören? Haben wir verlernt, miteinander wahrhaftig zu kommunizieren? Die Fähigkeit des Hörens ist uns in die Wiege gelegt. Die des Zuhörens nicht. Die Kunst des Dialoges will geübt sein. Manche Menschen sind in dieser Hinsicht ganz und gar unbefangen, sobald sie jemandem begegnen. Was bedeutet: Sie vergessen schnell das Anliegen des anderen und erzählen, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Zugegeben: Solche Gespräche können ermüdend sein. Denn wer nur Monologe hält, langweilt sein Gegenüber. Genauso unangenehm ist es, wenn einer den anderen nur als Stichwortgeber nutzt, um eigene Erinnerungen loszuwerden.  Was in dem Moment passiert: Sobald sich einer der Gesprächspartner innerlich entfernt, stürzt die Energie ab. Findet hingegen ein dialogisches Hin und Her statt, bleibt die Resonanz erhalten. Das Gespräch fühlt sich gut und inspirierend an. Daher heißt es auch: Lebendige Dialoge sind echte Sternstunden der Begegnung.

Wohl jeder von uns hat es schon einmal erlebt, wie angenehm es sich  anfühlt, wenn uns aufmerksam zugehört wird. Wenn unser Gegenüber nachhakt, mitgeht, am Ball bleibt. Doch so gern wir diesen brillanten Zuhörer:innen auch nacheifern möchten – von unserem möglichen Plan, uns künftig in Gesprächen selbst viel stärker zurückzunehmen, um noch aktiver zuhören zu können, ist dringend abzuraten. Der Grund: Ein perfektioniertes Zuhören wirkt irritierend, es fühlt sich unnatürlich in einem Gespräch zwischen zwei gleichberechtigten Menschen an. Im Gegenteil gewinnen die Sprechenden dann viel mehr den Eindruck, sie würden in der Arztpraxis auf der Couch liegen. Und: Wer nur aktiv zuhört, bekennt selbst keine Farbe, teilt nichts von sich mit, und der Dialog kommt schnell zum Erliegen. Besser: Wenn wir aktiv zuhören, dann wirklich nur in den entscheidenden Momenten. Und ganz wichtig: auf keinen Fall Interesse heucheln!

Vor allem dann nicht, wenn die Gesprächspartner miteinander besser bekannt, erst recht aber, wenn sie gut befreundet  beziehungsweise Partner sind. Übrigens schadet ein klar kommunizierter Wunsch nach einem anderen, für beide Seiten passenden Gesprächsthema der Beziehung nicht. Andernfalls kommt es durch die Konfliktvermeidung zu einer Kontaktvermeidung. Und die ist keine Basis, weder für ein gutes Gespräch noch für die Beziehung. Konflikte dagegen können sehr viel Kontakt stiften. Der Grund, weswegen die Kontaktstörung immer Vorrang hat. Heißt: Sobald wir merken, unser Gegenüber ist nicht präsent, sollten wir darauf aufmerksam machen.  Die professionelle Paarberatung unterstützt Paare dabei, damit der Dialog im Alltag besser gelingt.

Tipps:
So gelingt gutes Zuhören

 

  1. Nur Mut! Diplomatie und

Höflichkeit passen eher zu Beziehungen, die oberflächlicher sind. Nicht aber zu Freundschaften. Mitzuteilen, dass Richtung und/oder Inhalt eines Gesprächs nicht interessant sind, fällt nicht leicht, schafft aber Nähe und Tiefe – und damit mehr Zufriedenheit.

 

  1. Tschüss, Handy! Experten

haben herausgefunden, dass Unterhaltungen oberflächlicher verlaufen, wenn ein Smartphone auf dem Tisch liegt. Besser: das Telefon in der Tasche lassen, um sich besser auf sein Gegenüber konzentrieren zu können.

 

  1. Auf zum Hörtest! Werden

Zusammenkünfte immer anstrengender, und fällt auch Smalltalk zunehmend schwer? Ein Hörtest beim Arzt zeigt, ob das Ohr gesund ist.

 

  1. Glücksgarant Zeit! Die Güte

eines Gesprächs hängt auch vom Faktor Zeit ab. Deshalb gilt: Wenn wir etwas Wichtiges zu besprechen haben, sollten wir das nicht zwischen Tür und Angel tun. Schließlich muss sich ein Dialog entwickeln können.

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