Versagensängste aus evolutionärer Sicht: Warum haben wir Angst und wie überwinden wir sie?

Versagensängste: Schaffe ich das? Was ist, wenn es nicht funktioniert? Ich könnte scheitern. Diese Gedanken sind uns allen bekannt: Ob in der Schule, im Job, bei privaten Projekten oder auch wegen eines schwierigen Gesprächs, was ansteht. Die Angst dahinter sitzt tief und hält uns zurück – davor, den nächsten Schritt zu wagen, unsere Meinung zu sagen oder etwas Neues auszuprobieren. Versagensangst ist allgegenwärtig – aber warum?
Oft könnte man der Angst, zu versagen, rational widersprechen: Was ist denn, wenn man scheitert? Was passiert dann? In den allermeisten Fällen erwarten uns keine schlimmen Konsequenzen. Vielleicht findet der Chef die Idee nicht gut, oder wir stoßen auf soziale Ablehnung, wenn wir unsere Meinung äußern – und dann? Eigentlich wissen wir doch, dass Scheitern zum Leben dazugehört und jeder mal Fehler macht. Uns von der Angst zu befreien, fällt dennoch schwer.

Der Blick zurück in die Evolution – warum Scheitern früher gefährlich war

Um die Versagensangst zu verstehen, lohnt es sich, einen Blick zurück in die evolutionäre Geschichte der Menschheit zu werfen. Unsere psychischen Grundstrukturen sind Jahrtausende alt – auch, wenn viele von ihnen mittlerweile durch Faktoren der Sozialisation und der heutigen Lebensumstände verändert wurden und sich adaptiert haben. Doch insbesondere Ängste sind instinktive Reaktionen, die in ihrem Ursprung weit zurückgehen.

Früher hing unser Überleben vom Dazugehören ab. Der Mensch war abhängig von seiner Gruppe – wenn er den Anschluss verlor, war er schutzlos und musste sich allein um Nahrung bemühen. Ein fast aussichtsloses Unterfangen, und die Überlebenschancen standen schlecht. Zeichen von Schwäche, Regelbrüche oder Unfähigkeit konnten zu einem solchen sozialen Ausschluss führen, um das Überleben der Gruppe weiterhin zu sichern. Aus diesem Licht betrachtet ist die Angst zu Versagen lediglich ein uralter Schutzmechanismus: Wenn wir etwas tun, das Ablehnung, Bloßstellung oder Kritik auslösen könnte, meldet unser Gehirn Gefahr. Auch wenn wir heute nicht mehr allein in der Wildnis überleben müssen, wenn wir in einer Präsentation ins Stocken geraten, reagiert unser Nervensystem immer noch so, als stünde unser Leben auf dem Spiel. Unsere emotionale Überreaktion macht es dann schwer, nüchtern und logisch zu bleiben.

Schaffe ich das? Was ist, wenn es nicht funktioniert? Ich könnte scheitern. Diese Gedanken sind uns allen bekannt

Der Angst begegnen, um sie zu besiegen

Um eine Angstreaktion abzuschwächen, muss man diese immer und immer wieder durchleben – und dabei sehen, dass nichts passiert. Dem klassischen Prinzip der Expositionstherapie folgend würde man sich also immer wieder gezielt den angstauslösenden Situationen aussetzen, damit die Angst langfristig von selbst nachlässt. Dies bedeutet, dass man also ein paar Mal scheitern muss – und dann erlebt, dass nichts Schlimmes passiert. Ebenso können Sie sich dazu ermutigen, das schwierige Gespräch mit Ihrem Partner oder Ihrer Freundin zu suchen – Sie werden weder sterben noch alle Ihre sozialen Kontakte verlieren. In neunundneunzig Prozent der Fälle erleben wir, dass nichts Schlimmes passiert, wenn wir uns der Angst aussetzen.
Im Kontext der Versagensängste hilft es auch, diese als Kompass wahrzunehmen – nicht als Feind. Wenn wir also anerkennen, dass uns die Angst nur schützen möchte und ein evolutionär bedingtes Signal ist, können wir sie aus einer anderen Perspektive betrachten. Danke, Angst, dass du mich beschützen willst, aber das ist hier gar nicht nötig. So können wir lernen, die Angst aktiv wahrzunehmen, aber uns nicht ihr unterzuordnen – sondern stattdessen, über sie hinauszuwachsen.

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